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V.l.n.R.: Ansichtes des Gebäudes um 1905, 1928, 1938 und
1965
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Die Anfänge des neuen Ehrenfeld
Das Haus Königsallee 28. Nachdem Clemens Erlemann Anfang 1904 die gesamten Liegenschaften des Hauses Rechen von Carl von Schell erworben hatte, begann er umgehend mit dem Verkauf von Grundstücken an interessierte Bauherren. Einer der ersten war Wilhelm Koch (1873-1921), der am 6. April 1904 einen Kaufvertrag mit Erlemann über rund 300 Quadratmeter Land abschloss. Als Bezirksschornsteinfeger entsprach Koch exakt den Vorstellungen Erlemanns über die gesellschaftliche Struktur des zukünftigen Stadtteils, die sich aus gehobenen bürgerlichen Schichten wie Verwaltungsbeamten, Unternehmern, Kaufleuten und Inhabern von Handwerksbetrieben zusammensetzen sollte. Der Kaufvertrag vermittelt interessante Hinweise auf die damalige Entwicklung. Obwohl die Gemeinde Wiemelhausen und damit das Ehrenfeld am 1. April 1904 nach Bochum eingemeindet worden war, wird die Stadt im Kaufvertrag nicht erwähnt: Koch erwarb laut dem in beglaubigter Abschrift vorliegenden Dokument ein Grundstück in Wiemelhausen und war in Ehrenfeld wohnhaft. Erlemann verfügte zu diesem Zeitpunkt schon über einen dezidierten Bebauungsplan, der eine Verlängerung der Jägerstraße (heute Königsallee zwischen Kronenstraße und Schauspielhaus) nach Süden sowie mehrere rechtwinklig nach rechts und links abzweigende Straßen mit dazwischen liegender Blockbebauung vorsah. Das 12 m breite und rund 25 m tiefe Grundstück befand sich an der projektierten Verlängerung der Jägerstraße in der Mitte zwischen der dritten und vierten Parallelstraße (heute 1. Meinolphusstraße, 2. Hubertusstraße, 3. Wilhelm-Stumpf-Straße, 4. Christstraße). Auf dem Plan eindeutig erkennbar, dürfte Koch Schwierigkeiten gehabt haben, vor Ort die genaue Lage des Grundstücks zu finden, da die Trassierungsarbeiten an den Straßen noch nicht begonnen hatten. Der Kaufpreis betrug 325 M pro Quadratrute (altes preußisches Flächenmaß – ca. 14,2 Quadratmeter) und damit 6.825 M für 21 Quadratruten. Dazu kamen weitere 25 M pro Meter Straßenfront oder 300 M Straßenbaukosten für Erlemann sowie eine ungenannte Summe an Straßenbaukosten der Gemeinde Wiemelhausen bzw. der Stadt Bochum, sodass sich die Gesamtgrundstückskosten auf etwa 7.500 M belaufen haben dürften. Die Baukosten des Hauses sind nicht bekannt. Angesichts eines Einheitswertbescheids von 1927 in Höhe von 27.000 RM ist jedoch von Kosten in Höhe von rund 15.000 M auszugehen, sodass Koch für das 1905 fertiggestellte Gebäude mit schätzungsweise 22.500 M rund das 15fache eines damaligen Bergarbeiterjahresgehalts aufwenden musste. Bei dem wahrscheinlich im Sommer 1905 kurz nach Abschluss der Bauarbeiten aufgenommenen Foto handelt es sich um das älteste bekannte Dokument eines Gebäudes des neuen Ehrenfelds. Im Hintergrund rechts sind die älteren Bauten an der Hattinger Straße (heute Alte Hattinger Straße) erkennbar, im Hintergrund links möglicherweise ein Schornstein der Westfälische Stahlindustrie AG an der Kohlenstraße. Die weithin freie Fläche hinter dem Haus war erst im Vorjahr als Vorbereitung zur Erschließung des Stadtteils gerodet worden – hier befanden sich bis dahin die Ausläufer der Rechener Waldes. Insgesamt folgte die Bauplanung des Ehrenfeldes in den Anfangsjahren noch keinen festen Grundsätzen. So blieb das rechte Nachbargrundstück, wie die Aufnahme aus der zweiten Hälfte der 1920er-Jahre zeigt, zunächst unbebaut. Wahrscheinlich wurden die Grundstücke an der späteren Königsallee zudem zuerst verkauft und bebaut, wodurch Erlemann sich die Möglichkeit verschloss, die zentrale Verkehrsachse des Ehrenfelds mit repräsentativeren Bauten zu versehen. Für das ab 1907 errichtete, mit Abstand größte Gebäude Bochums des Allgemeinen Knappschaftsvereins blieb damit nur ein Standort „in der zweiten Reihe“. Ähnliches gilt für die Meinolphus-Kirche. Auffällig ist auch, dass die direkt an der Königsallee gelegenen Gebäude wie Kochs Wohnhaus mitunter nur zwei Etagen hoch waren, während in den dahinterliegenden Seitenstraßen eine fünfgeschossige Bebauung vorherrschte. In den 1930er-Jahren wurde die benachbarte Baulücke geschlossen. Das Foto aus dieser Zeit zeigt die von Anhängern des nationalsozialistischen Regimes anlässlich von Gedenk- oder Feiertagen üblicherweise zur Schau gestellten Zeichen von Staat und Partei. Das Haus Königsallee 28 wurde während des Krieges 1944 stark beschädigt und Mitte der 1950er-Jahre in außen völlig veränderter Form, aber mit identischem Grundriss wiederaufgebaut. Aus den ursprünglich zwei Etagen mit Dachgeschoss wurden nun vier Etagen. |
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V.l.n.R.: die 4 Seiten des Kaufvertrages.
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Bildmaterial von: Ulrike Witkowski. Text: Dietmar Bleidick - letzte Änderung: 10.09.07